Politisch korrekt, oder?

Drei Möhren? Voll korrekt, wa!
Drei Möhren? Voll korrekt, wa!

Hotel Drei Möhren

Enzo kratzt sich verwundert am Frenchie-Ohr: Es ist eine Diskussion aus dem Tollhaus, die da seit einigen Tagen durch Augsburg brandet. Die amnesty-Jugendgruppe nimmt Anstoß am Namen des Augsburger Hotels Drei Mohren wegen „Rassismus“ und fordert dessen Umbenennung. Das wäre nun erst mal nicht weiter verwunderlich,wird doch im Namen der political correctness mittlerweile jede Cerebralflatulenz (ja, das klingt freundlicher als „Hirnfurz“) zur moralischen Forderung erhoben. Was erstaunt, ist jedoch, dass ansonsten durchaus ernst zu nehmende Medien die Sau mit Halali durchs Großdorf am Lech treiben. 
Die amnesty-Jugendgruppe (vorher schon mal was von der gehört???) hat damit bereits etwas erreicht, was ihr die letzten 100 Jahre konsequent versagt blieb: mediale Aufmerksamkeit. Mission completed. Was aber darüber hinaus geht (und nicht nur Enzo das Haupt schütteln lässt), ist die positive oder bestenfalls unterbliebene Kommentierung des Vorgangs.
Angefangen hat der Hype in der DAZ, der ansonsten von mir im Wesentlichen sehr geschätzten Internetzeitung von Siegfried Zagler. Er berichtet abundant über die Forderung und unterstützt sie sogar kommentierend. Und meine Lieblingszeitung macht auch ein bisschen mehr, was der Sommerzeit allein nicht geschuldet sein kann. Nun soll man ja die Vergangenheit nicht verklären. Doch zu den Zeiten, als ich noch für die Kommunalpolitik in der AZ verantwortlich war, hätte es eine Kurzmeldung über den schlichten Fakt getan. Oder eine Glosse. Vielleicht sogar einen kurzen und für die Initiatoren nicht gerade schmeichelhaften Kommentar. Heutzutage überlässt man die Meinungsäußerung den Lesern in der entsprechenden Rubrik.
Nun soll der Blog hier keine Medienschelte werden — da gäbe es bedeutendere Anlässe. Aber ein bisschen möchte ich das Thema doch auch faktisch betrachten.  Warum heißt das „3 Mohren“ wie es heißt? Ich habe keine Ahnung und muss es auch nicht unbedingt wissen. Was ich hingegen weiß: Es heißt schon ewig und drei Tage so. Nun gibt es eine Namensänderungsforderung einer Minigruppe, die damit ihr Ziel erreicht hat, auch einmal öffentlich wahrgenommen zu werden. Herzlichen Glückwunsch dazu, aber wenn man das zu Ende denkt, kommt ein political-correctness-Betroffenheitszirkus in Gang, der je nach persönlicher Meinung so ziemlich alles aufs Korn nehmen kann, was irgendwann einen Namen bekommen hat. Muslime (zahlenmäßig sicher eine größere Gruppe) gegen christlich geprägte Straßennamen, Veganer gegen die Gastwirtschaft zum Ochsen, Atheisten gegen Herrgottsruh usw. usf. … Nicht zuletzt müsste man vermutlich auch Augsburg umbenennen , denn Namensgeber Augustus war rein menschenrechtsmäßig betrachtet auch nicht gerade der Burner.
Die wirklichen Probleme — Hunger, Krieg, Krankheiten — in der dritten und anderen Welten löst das nicht. Wir führen nur ermüdende Scheindebatten. Aber wenigstens dürfen wir uns großartig und gut dabei vorkommen. Brauch‘ ich nicht.
Schließlich habe ich doch Wikipedia bemüht und festgestellt, dass der Name „3 Mohren“ immerhin 500 Jahre überdauert hat:
Zitat:
„Im Jahr 1344 wurde am Weinmarkt (der heute in der Maximilianstraße aufgegangen ist) ein Wirtshaus aufgemacht. Die ersten Übernachtungsgäste soll es an diesem Standort im Jahr 1495 gegeben haben. Ein Augsburger namens Minner soll nach legendenhafter Überlieferung drei dunkelhäutigen Mönchen aus Abessinien Obdach geboten haben. Auf ihrer Reise zurück in den Süden waren sie in einer strengen Frostperiode gezwungen, in Augsburg zu überwintern.
Die Legende erzählt:
Um das Jahr 1495 trug es sich zu, dass auch dunkelhäutige Reisende im Bild der Stadt zu sehen waren. Abessinische Mönche, vier an der Zahl, wurden damals längere Zeit vom Gastwirt Minner beherbergt. Der kalte Winter habe sie aber zu einem übereilten Rückmarsch nach dem wärmeren Süden bewogen, wobei einer von ihnen schon auf dem Hochfeld ums Leben gekommen sei. Der Gastwirt Minner habe die drei Überlebenden wieder in sein Haus geholt und half ihnen über den Winter. Vor ihrer Abreise im nächsten Frühjahr habe er ihr Bildnis auf eine Tafel malen lassen, die er dann als Gasthausschild aufhängen ließ.“
Das hat nun über 500 Jahre keinen gestört, was ich mir auch erlaubt habe, in einem Facebook-Kommentar deutlich zu machen. Worauf man mir vorwarf, „auf der falschen Seite“ zu stehen. Geht‘s noch? Nein. Auf der „falschen“ Seite bin ich nicht. Sondern auf der der Freiheit. Liberté, Égalité, Fraternité — ganz klassisch, auch wenn unter diesem Motto ebenfalls viel Sch... angerichtet wurde. Liberté: is klar, nä? Egalité: Jeder darf eine Meinung haben und sie vertreten. Und damit die fraternité nicht untergeht, jetzt mein Schlusswort. Amen.
Fortsetzung folgt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Siegfried Zagler (Donnerstag, 23 August 2018 10:00)

    Das ist bereits das zweiten Amen aus Ihrer Feder. Der Vorwurf, "auf der falschen Seite zu stehen" kommt von mir. Dabei bleibe ich, da ich diese Diskussion im Gegensatz zu Ihnen für sinnvoll halte. Interessant ist jedenfalls, dass eine möglicherweise ironisch angehauchte und relativ zart angemahnte Symbolhandlung dergestalt hohe Wellen der Ablehnung schlägt. Ob eine Gruppe, die etwas fordert, groß oder klein ist, bedeutsam oder nicht - ob etwas lange Zeit nicht gestört hat oder nicht, ob die Legende der Namensgebung stimmt oder nicht, ob 96 Prozent einer AZ-Umfrage für die Beibehaltung des Namens sind oder nicht ... Dies alles spielt für mich keine große Rolle. Wichtig ist dagegen, dass in dieser Richtung geforscht wird, dass es dazu wissenschaftlich fundierte Aussagen gibt, die ähnlich unumstritten sind .... sagen wir mal, wie die Erkenntnisse der Teilchenphysik. Wer das nicht weiß oder sich dafür nicht interessiert, kann das Thema nicht ernsthaft "faktisch betrachten". Die DAZ (vielen Dank für die allgemeine Wertschätzung) wird jedenfalls nachlegen. Der Wissenschaftsautor ist gefunden. Selbst ich bin gespannt darauf, was die "richtige Seite" noch im Köcher hat ... Achtung, Achtung! :)