...dann schick‘ ihn nach Europa!
Francesca ist 23 Jahre alt, lebt in La Morra, und auf ihrer Facebookseite hat sie am vergangenen Wochenende einen Satz veröffentlicht, der sich wunderbar als Einstieg in diesen Blogbeitrag
eignet:„Demokratie ist schön, weil sie für alle demokratisch ist, auch für Unwissende und Kriminelle. Aber wenn Diktatur herrscht, ist noch nie jemand gerettet worden. Doch die Wähler wollten es so, und diejenigen, die noch unter dem Faschismus
litten, sterben. Lernt aus der Geschichte und bereut, was ihr gewählt habt. Und in der Zwischenzeit werden wir alle darüber lachen,dass die Mehrwertsteuer steigt und die Gehälter gesenkt
werden“, schrieb die junge Italienerin mit Blick auf die Wahlergebnisse in ihrem Heimatland, wo der Rechtspopulist Salvini bei der Wahl am 26. Mai mit seiner Lega über ein Drittel der Stimmen einstrich. Die Lega wurde stärkste
Kraft.
Ich weiß nun nicht, was Francesca zu den deutschen Wahlresultaten zu sagen hätte. Vielleicht nicht ganz so Drastisches. Aber Anlass
zur Besorgnis geben sie trotzdem, und es ist nicht zuvörderst das Abschneiden des deutschen Lega-Pendants, der AfD. Wie ihre Vorgänger im Geiste am rechten und linken Rand des Parteienspektrums,
von Republikanern bis Piraten, wird diese „Partei“ zuerst gehypt und findet Zulauf, auch von den sattsam bekannten politischen Vagabunden, die es zuvor schon in jeder neuen Gruppierung versucht
haben. Und die dort wieder hinausgeflogen sind, als man erkannte, mit wem man es zu tun hatte: mit notorisch Unzufriedenen, manischen Verschwörungstheoretikern und politischen Wirrköpfen. Die
wenigen anständigen Demokraten haben die AfD schon verlassen oder werden sich noch von ihr abwenden. Was dann bleibt, ist eine Splitterpartei.
Nun können Splitterparteien in unserem Land nur begrenzt Schaden anrichten, seien ihre Ansichten und Ziele auch noch so krude. Doch
es gibt halt nicht nur eine solche Gruppierung, sondern von Wahl zu Wahl, von Hype zu Hype immer mehr davon. Ihre Prozentchen knabbern das Reservoir der Parteien an, die den Grundkonsens
im Meinungsbild unseres Staates repräsentieren. Die CDU/CSU mit 28,9 Prozent der „Wahlsieger“? Ein Pyrrhussieg auf dem stetigen Weg zurück zu Weimarer Verhältnissen in unserem Land.
Am schlimmsten erwischt hat es die SPD. Die Führungskräfte dieser Partei mit ihrer stolzen Geschichte haben die stetige Erosion
ihrer einstigen Klientel verdrängt. Arbeiterpartei und Feindin der ominören „Besserverdienenden“ in einer Wirtschaft, in der es die klassischen Arbeiter gar nicht mehr gibt, in der der Arbeiter
besser verdient als mancher Akademiker? Das funktioniert nicht. Und auf der Suche nach der Lobby, die sie vertreten könnte, hat die Sozialdemokratie jemäß dem FJS-Zitat agiert wie
„ein Schwanz, der gleichzeitig mit zwei Hunden wedelt“. Die Quittung gibt es jetzt, mit Wahlergebnissen (in Dörfern meines ehemaligen Tätigkeitsfeldes im Landkreis Landsberg) unter der
Fünf-Prozent-Marke.
Der CDU geht es noch besser, der CSU sogar fast noch gut. Aber auch hier greift die Erosion der großen Parteien. Beispiel Augsburg: Da gibt es eigentlich derzeit keinen ernstlichen
Zweifel daran, dass die CSU-Frau Eva Weber prädestiniert ist, den
scheidenden Amtsinhaber zu beerben. Ihre Konkurrenten können ihr das Wasser jedenfalls nicht reichen. Weder der SPD-Bewerber Dirk Wurm angesichts der traurigen Verfassung seiner Partei, noch die (erst noch zu
benennenden) Grünen-Kandidat(in)en. Aus der grünen Personalreserve wird der einzige Mann vermutlich eh weggegendert. Und die alternativkorrekten Damen unter den potentiellen Kandidaten lassen
Profil und Erfahrung zur Führung einer Großstadt mehr als deutlich vermissen. Wertungen über die ohnehin chancenlosen Bewerber aus den Reihen der Klein- und Kleinstparteien erübrigen
sich.
Nicht aber ein skeptischer Blick in die politische Zukunft: Im ersten Wahlgang wird es angesichts der Bewerberflut nicht einmal eine Eva Weber schaffen, die OB-Wahl für sich zu entscheiden. Sie
wird gegen wen auch immer in die Stichwahl müssen. Und sie wird es schwer haben, mit einem zersplitterten Stadtrat zu „regieren“, in dem immer mehr kleine Splittergruppen stabile
Gestaltungsmehrheiten verhindern. Dass dadurch schnelle Entscheidungen und zielführende Problemlösungen verunmöglicht werden, wird dann vermutlich nicht den zahlreichen Polit-Einzelkämpfern
angelastet werden, sondern der Rathauschefin — potenziert noch durch eine veränderte Medienberichterstattung. Die Medien nämlich dürften zwar nicht AKK-mäßig daran gehindert werden, über
die Bedenken der Politzwerge zu berichten. Sie sollten sich aber auf die journalistischen Tugenden der Wertung und Bewertung besinnen. Tun sie aber nicht. „Online first“ und „Leserperspektive“
verhindern Wertungen durch ganz selbstverständliche journalistische Entscheidungen wie Größe und Platzierung von Berichterstattung.
Keine schönen Aussichten also für eine sach- und fachgerechte Politik in der ferneren Zukunft. Fast ist man versucht, von einer „Gnade der frühen Geburt“ zu sprechen: Nicht die Menschen meiner
Generation werden die aktuellen (Fehl)-Entwicklungen ausbaden müssen. Aber unsere Nachkommen sicher.
Fortsetzung folgt.
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