Elektromobilität

Mit dem Drehstromanschluss in der Tiefgarage zuhause ist auch das Laden kein Problem.
Mit dem Drehstromanschluss in der Tiefgarage zuhause ist auch das Laden kein Problem.

Emotionen und Emissionen

Ups, ich habe es tatsächlich getan. Seit Ende Juli steht der Skoda Yeti zum Verkauf beim Händler, und in der Tiefgarage zuhause steht das E-Auto. Und seither werde ich konstant gefragt: Geht das so einfach? Hast Du nicht Angst, mit leerer Batterie in der Pampa liegenzubleiben? Ist die Umstellung nicht ziemlich kompliziert? Die Antwort darauf: Nein, nein und nein. Es ist ein anderes automobiles Leben -- und es gefällt mir.

Nun muss ich zugeben dass ich auf einem Umweg zur Elektromobilität gekommen bin, einem Umweg über die Politik. Es ist leider eine Tatsache, dass meine Heimatstadt Augsburg (so wie eigentlich die gesamte Republik) Zug um Zug immer autofeindlicher wird. Und ich meine damit nicht den Umweltschutzaspekt: Schon heute ist es so, dass in einigen Gegenden Deutschlands das, was ein moderner Benzinmotor an Luft ansaugt, dreckiger ist als das, was zum Auspuff eines modernen benzingetriebenen Autos herauskommt. Moderne Autos sind auch als Verbrenner ressourcenschonend hergestellt und zu betreiben.

Ich glaube, dass sich der Furor der „Fridays-for-Future-Bewegten" in Sachen Auto nicht gegen den „Verkehr" im Begriff Individualverkehr richtet, sondern gegen das „Individual-" -- also das Eigenständige. Man will der Allgemeinheit das eigene Weltbild vorschreiben, am persönlichen Wesen soll die ganze Welt genesen: Drei Möhren für vier Räder sozusagen, eine Narretei, aber derzeit durchaus en vogue..

Für Augsburg habe ich die Vorahnung, dass das mittlerweile alltägliche Schikanieren automobiler Verkehrsteilnehmer tendenziell noch ausgeweitet wird. Die neue Machtkonstellation im Rathaus hat ja auch schon kein Problem damit, ein rechtlich mindestens fragwürdiges „Klimacamp" zu dulden, bei dem zwischen den Wahrzeichen eines Elias Holl eine etwas zerzauste Meute ihre Vorstellungen vom Öko-Utopia auslebt, kleine Hochbeete auf Parkplätzen errichtet oder „Pop-up-Radwege" in einer verkehrsreichen Straße abmarkiert. Man kann in dem Tun durchaus Straftatbestände entdecken, und die Tatsache, dass dies von städtischen Behörden und Mandatsträgern bisher achselzuckend hingenommen wird, sagt viel über die Vorbildfunktion von Stadtrat und Verwaltung aus. Wenn der U-30-Ökokasper mit Autoverzicht, Lastenrad und 365-Euro-ÖPNV-Ticket zum Maßstab wird, dann fällt der Ü-60-Normalo, der vielleicht nicht mehr so gut zu Fuß ist, auf dem Fahrrad schon etwas schwankt und der trotzdem hin und wieder Lasten oder Personen zu transportieren hat, halt hinten durch.

Dagegen muss man sich zur Wehr setzen. Und weil ich nun alters- und generationsmäßig eher zur zweiten Gruppe gehöre und mir meine Individualität wichtig ist, kam der Entschluss, auf Elektromobilität zu setzen. Zumindest in Augsburg ist dies zu 100 Prozent klimaneutral möglich: Auto und E-Bike laden im Regenio-Tarif ausschließlich mit erneuerbarer Energie, der Nahverkehr ist ebenfalls zu 100 Prozent klimaneutral. Die Energieversorgung fürs Zu-Fuß-Gehen bewerkstellige ich mit Bio-Lebensmitteln.

Etwas schwieriger wird dann schon die Auswahl des geeigneten Kraftfahrzeugs. Wer sich derzeit nach einem E-Auto umsieht, wird zahlreiche neue Marken und Hersteller entdecken.Ich hatte zunächst den Polestar 2 im Blick, eine chinesische Volvo-Tochter. Doch durch Corona-Verzögerungen kommen gerade erst die ersten Fahrzeuge nach Deutschland -- das riecht noch nach Vorserien-Mängeln. Deutsche Hersteller schieden fast von vornherein aus. Sie setzen bisher überwiegend auf Hybridfahrzeuge. Doch das ist eine Mogelpackung: Teure Prestigeschlitten, denen mit ein paar Kilometern E-Reichweite ein grünes Mäntelchen umgehängt wird -- bei hohen Unterhalts- und Servicekosten, weil ja nach wie vor alle Komponenten beider Antriebe vorhanden sind und gewartet werden müssen. Auch von Tesla (zu teuer) und VW ID.3 (lächerlich geringe Reichweite) wendete ich mich nach dem ersten Blick ab. Und blieb schließlich beim Nissan Leaf hängen, dem weltweit ausgereiftesten und meistgebauten Elektroauto. In der neuen e+-Version hat er über 400 Kilometer Reichweite. Mit zwei Ladestopps (bisher hießen die Enzo-Pausen) komme ich damit locker ins Piemont. Und die Frage, was ich denn mache, wenn ich mit leerer Batterie liegenbleibe, kann ich mittlerweile schon beantworten: Gar nichts, denn ich habe nicht vor, wegen Kraftstoffmangels liegenzubleiben. Mit den diversen Benzinautos ist mir das in den vergangenen 45 Jahren schließlich auch gelungen. 

Ansonsten kann ich nach sechs Wochen E-Auto schon eine erste Bilanz ziehen. Und die fällt rundum positiv aus. Das liegt nicht nur daran, dass der Leaf abgeht wie Schmitz' Katze und beim Ampelstart die Dreier-BMW-Piloten mit Migrationshintergrund regelmäßig frustriert hinter sich lässt. Nein, es liegt auch daran, dass man nach einer kurzer Eingewöhnungszeit einfach entspannter unterwegs ist. Grund dafür ist neben der Vielzahl an Assistenzsystemen, die fast schon autonomes Fahren ermöglichen, vor allem der „E-Pedal-Modus": Geht der Fahrer vom Gas, dann verzögert der Leaf stark und rekuperiert gleichzeitig Energie. Bremsen ist damit (fast) überflüssig: Bei einem Ausflug an dem Ammersee habe ich neulich ganze drei (!) Mal aufs Bremspedal treten müssen. Je nach Verkehrslage und Geländebeschaffenheit wandert außerdem bis zur Hälfte des verbrauchten Stroms beim Verzögern wieder in die Akkuzellen zurück. Einparken und Rangieren machen mit der 360-Grad-Rundumcamerasicht schon fast wieder Spaß. 

Außergewöhnlich gut ist auch die Connectivity: Das iPhone ist per CarPlay voll integriert, die Sprachsteuerung ersetzt nerviges Herumpföteln an Tasten und in Menüs. Die Leaf-App stellt Fahr- und Verbrauchsdaten zur Verfügung, zeigt, wo mein Auto steht (wenn ich es in einer fremden Stadt irgendwo abgestellt habe), und sorgt für Standheizung im Winter und Vorkühlung im Sommer, was vor allem Enzo zu schätzen weiß. Navigieren kann man sogar nach drei Methoden -- mit dem eingebauten TomTom-System, mit Siri übers iPhone oder per App mit Google Maps.

Ein paar kleinere Einschränkungen, die ich hier auch. nicht verschweigen will, erfährt die Freude am E-Fahren allerdings schon noch. Da ist zum einen das Laden: Zuhause in der Tiefgarage ist das kein Problem, ich habe mir einen Drehstromanschluss legen lassen. Auf eine Wallbox habe ich verzichtet und statt dessen ein Ladeset von NRGkick angeschafft. Das kann an jede CEE-Steckdose (und mit Adaptern auch an andere, auch an 220-Volt-Schuko) angeschlossen werden und lädt den Leaf auf jeden Fall über Nacht wieder auf. Im Optimalfall sogar innerhalb von drei Stunden.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0