im Gastro-Himmel
In der Gastronomie ist der Geschmack das Maß der Dinge, gefolgt vom Können der Akteure, der Qualität der Zutaten und der Kreativität der angebotenen Teller. Dann, und erst deutlich später, kommen Bewertungen wie Pfannen und – Sterne. Manchmal, ganz selten, geht ein neuer Stern am Gastro-Himmel auf. Und so ein kulinarischer Himmelskörper hat unseren 24. Hochzeitstag beschienen. Das „Nose & Belly“ im Augsburger Georgs- und Kreuzviertel.
Wer sich auf Höhe Theater auf der abgesperrten Ludwigstraße seinen Weg durch feierndes Partyvolk gebahnt hat, betritt in der Heilig-Kreuz-Straße 14 – da, wo früher Bodybuilder an chromblitzenden Geräten schwitzten – ein stylisches Restaurant, das, mitten in der Pandemie, im März 2020 von Hendrik Ketter, u. a. mit 49 von 50 Punkten Sieger einer Folge der von mir geschätzten TV-Serie „Mein Lokal, dein Lokal“, eröffnet wurde. Im Gastraum sorgen viel Holz bei der Möblierung und findig verteilte Pflanzen an den Wänden für eine relaxte Atmosphäre. Ein kleiner Innenhof lädt ein, laue Sommerabende zu genießen – Gourmettempel ist anders. Der Empfang durch Servicekraft Elias ist herzlich und überaus kompetent, es werden Wünsche, Vorlieben und Unverträglichkeiten (ja, ich habe auch eine) abgefragt, und dann kommt Chef Ketter selbst an den Tisch, um über die Vermeidung einer Problemzutat zu sprechen. Wir bestellen das leicht abgeänderte Menü und die vorgeschlagene Weinbegleitung. Letztere hat einem ohnehin schon denkwürdigen Gastronomieerlebnis noch ein funkelndes Krönchen aufgesetzt.
Und dann geht es los. Nach einem eher konventionellen Start mit selbst produziertem Brot, diversen Cremes und phänomenalen fermentierten Radieschen auf einer Interpretation einer Frankfurter Grünen Sauce folgt ein Kaleidoskop von Aromen, Geschmack, Farben, Texturen, Platings, das zumindest in Augsburg seinesgleichen sucht – Chapeau!
Der erste Gang (Pfeffermakrele, Gartenkresse-Eis, Kartoffelcreme) für Andrea bzw. Ceviche vom Saibling für mich hält, was der Service versprochen hat. Die Fortsetzung folgt: Spitzkohl im Barbecuelack und die Gurken-Variation mit Ricotta und einer (sensationellen!) Aubergine in Hoisinsauce lassen uns eine weitere Stufe in den Genusshimmel erklimmen. Im Folgegang darf ich dann lernen, was unter Pizzafischkäse (sic!) zu verstehen ist, der mit Saibling, Fenchel, Kaviar und Graupen auf den Teller gelangt. Ein Zwischengang – Maischip, knusprige Hühnerhaut und ein pikantes Mini-Hühner-Gulasch – ebnet den Weg zum Hauptgang, der allerlei von Maishuhn und Mais beinhaltet. Köstlich!
Was das Menü abschließend aus dem kulinarischen Meer süßer Verführungen heraushebt, ist das Dessert. Das ist erstmal nicht so süß und zweitens mit seinen Bestandteilen Möhren, Zitrone und Ingwer lobenswert innovativ, eine Geschmacksbombe, um diesen abgedroschenen Superlativ hier einmal berechtigt zu verwenden. Das Kalorienbömbchen folgt dann doch noch: in Gestalt von sagenhaften Franzbrötchen als kleines Add-on.
Applaus, Chapeau, Vorhang – und noch ein paar kleine Anmerkungen, weil das Bessere halt doch immer noch der Feind des Guten ist. Also: Die von Sommelier Elias äußerst fachkundig präsentierte (und mutig zusammengestellte) Weinbegleitung sollte vielleicht irgendwo aufgeschrieben sein. Dann könnten sie auch Gourmets meines Alters mit ihrem nachlassenden Gedächtnis noch angemessener loben. Und was das augenblicklich trendige Fermentieren von Lebensmitteln betrifft, war die Grenze zur Abundanz in Sicht, wenngleich noch nicht erreicht. Aber das ist Gejammer auf wirklich allerhöchstem Niveau…
Was das Stichwort für ein Fazit ist: Niveau. Von Konfuzius stammt der Satz „Es gibt niemanden, der nicht isst und trinkt. Aber nur wenige, die den Geschmack zu schätzen wissen.“ Wenn man diese Wertschätzung in den eingangs erwähnten Sternen ausdrücken will, so müsste der Guide Michelin auch halbe Sterne vergeben – 1,5 für das Nose & Belly, das ich in der regionalen Rangfolge zwischen dem August von Christian Grünwald (**) und dem Sartory von Simon Lang (*) ansiedeln würde.
Und damit ist alles gesagt – lasst also Bilder sprechen:
Fortsetzung folgt. Im Blog und – ebenso sicher – im Nose & Belly.
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