Dumm gelaufen

Dumm gelaufen: Wer bei Strom und Gas extrem viel sparen wollte, muss nun gehörig blechen.
Dumm gelaufen: Wer bei Strom und Gas extrem viel sparen wollte, muss nun gehörig blechen.

Geiz ist (doch nicht) geil

Nennen wir ihn Alfred. Ich treffe Alfred oft beim Gassigehen mit Enzo am Nebentisch im Café. Alfred ist einer von denen, die immer auf der Jagd nach Schnäppchen (was für ein grunddämliches Wort!) sind. Der immer eine „Gelegenheit“ zu günstigem Einkauf zu nutzen weiß. Der immer mit rastlosem „Geiz-ist-geil-Blick“ die Vergleichsportale à la „billiger.de“ im Internet durchforstet. Und einer, der es einem stolz erzählt. Dass er wieder soundsoviel Kohle gespart hat. Dass es immer noch billiger geht. Dass blöd ist, wer zu viel bezahlt.

Seit ein paar Wochen habe ich Alfred nicht mehr im Café gesehen. Und als ich ihn dieser Tage dann doch noch auf der Straße traf, war er sehr viel bescheidener als üblich. So richtig scheiße gehe es ihm gerade, sagte er. Und schuld daran seien die Stadtwerke. Die hätten ihm eine gesalzene Rechnung ins Haus geschickt. Rund 500 Euro sollte er ab heuer monatlich für Strom und Gas hinblättern, schimpfte Alfred und garnierte seine Suada mit Attributen  wie „Halsabschneider“, „Wucherer“ und „Betrüger“.

Was war passiert? Jahrelang bombardierten Anbieter mit fantasievollen Namen wie Stromio, Teldafax, Flexstrom oder CareEnergy die Verbraucher am Telefon mit unerwünschten Werbeanrufen, in denen radebrechende Callcenter-Nervensägen ihren Opfern vorhielten, „viel zu viel“ für Energie zu bezahlen. Und ihnen ganz uneigennützig vermeintliche Patentlösungen präsentierten – ihr Unternehmen. So ganz frei nach dem Motto: „Wir wollen Ihr Bestes – wir wollen Ihr Geld.“

Einige Jahre lief diese Masche ganz gut. Die Billigheimer kauften auf dem internationalen Strom- und Gasmarkt Überkapazitäten sehr günstig ein und transportierten sie über die vorhandene Netzinfrastruktur ihrer etablierten Konkurrenten zur pfennigfuchsenden Kundschaft. Das ging, solange es diese Überkapazitäten am Markt noch gab. 

Doch damit ist es seit einigen Monaten vorbei. Was nicht unbedingt daran liegt, dass nicht mehr genug Energie produziert wird. Zwar gibt man sich in Deutschland redlich Mühe, alle halbwegs verlässlichen Energielieferanten – Kohle, Atomstrom, Erdöl – zu torpedieren und durch etwas unzuverlässigere Träger zu ersetzen. Möglich ist aber auch, dass Wladimir Putin gemerkt hat, dass der Einschüchterungs-Trick mit seinem schwarzen Labrador Koney bei Angela Merkel noch funktionierte, bei Annalena „Fressefreiheit“ Baerbock aber nicht mehr. Da muss man dann halt zum Nord-Stream-Hammer greifen. Die Folge: Die Energiepreise ziehen an. Anbieter versorgen sich mit allem, was noch zu vertraglich limitierten Preisen erhältlich ist – und die Billigheimer-Überkapazitäten gibt es nicht mehr. Die Günstiganbieter mussten auf einmal Marktpreise bezahlen – und die lagen oft deutlich über den Sätzen, die sie ihren Abnehmern vollmundig versprochen hatten. 

Die Folge: Die Kunden, die man zuvor mit aufdringlichen bis unlauteren Methoden umworben hatte, waren nun plötzlich unerwünscht und wurden kurzerhand – teils rechtswidrig – gekündigt.

Als seinerzeit die als segensreich gepriesene Privatisierungswelle im Energiebereich rollte und die Gebietsmonopole der öffentlichen Versorger fielen, hatte der Gesetzgeber eine Art Notbremse für den Fall installiert, dass so ein privater Billiganbieter pleite geht. In so einem Fall müssen dann die früheren Monopolisten die Kunden der Pleitiers übernehmen und ihnen Strom und Gas liefern. 

So kam es, dass sich in der augenblicklichen Insolvenzwelle der ach so günstigen Versorger allein die Stadtwerke Augsburg mit rund 5000 Neukunden „beschenkt“ sahen – ein Danaergeschenk, denn die Energiemengen, die diese neuen Kunden benötigen, waren in der Kalkulation der Stadtwerke ja nicht vorgesehen.

Die nämlich kaufen über langfristige Verträge Strom- und Gaskontingente zu günstigen Preisen ein. Wenn sie nun plötzlich viel mehr Energie benötigen, müssen sie Energie zu deutlich höheren Tagespreisen an den Strom- und Gasbörsen einkaufen. Die Folge: Die Preise für die Verbraucher steigen. Für alle Verbraucher, wohlgemerkt, also auch die, die den öffentlichen Versorgern die Treue gehalten hatten. Um nun ihre treuen Kunden nicht zu bestrafen, ersannen die öffentlichen Versorger „Neukundentarife“, die um ein Vielfaches höher sind als die Preise, die ihren Bestandskunden abverlangt werden.

Hier kommt nun wieder unser Beispiel Alfred ins Spiel. Er hatte ein paar Jahre seine Wohnung mit „Geiz-ist-geil-Gas“ geheizt, mit „Geiz-ist-geil-Strom“ beleuchtet und so ein hübsches Sümmchen gespart, das er im Café in Espressi und gelegentliche Nachmittagsbierchen investieren konnte. Doch damit ist nun Schluss. Alfred heizt und beleuchtet nun zum Neukundentarif, was ihn rund 500 Euro im Monat kostet, und schimpft wie ein Rohrspatz – auf die Falschen.

Denn nicht die Stadtwerke sind die Bösen. Sie und ihre Kunden nämlich wurden zuvor schon zugunsten der privaten Billigheimer geschröpft. Zum Beispiel dadurch, dass sie Billigenergie durch ihre teuer bezahlten Netze zum Endkunden transportieren mussten. Dafür gab es zwar Netzentgelte (eine gesetzliche Ausgleichsabgabe), die aber bei Weitem nicht kostendeckend genug waren, um auch in der letzten Einöde von Hinterhaglhupfing die Glühbirnen leuchten zu lassen. Den verbliebenen Rest bezahlten wir, die Kunden der soliden Versorger, während sich die Billigheimer die Taschen vollstopften. Ermöglicht wurde dies durch Gesetzesänderungen während der Kanzlerschaft des „Genossen der Bosse", Gerhard Schröder (SPD). Der hatte sich dabei offenbar ein Zitat von Karl Marx zur Maxime gemacht: „Gewinne werden privatisiert – Verluste werden sozialisiert."

Diese Marx-Maxime kommt nicht nur auf dem Energiesektor, sondern auch in vielen anderen Bereichen zum Tragen. Wer einen geringeren Preis bezahlt, muss an irgendeiner Stelle mit einem geringeren Angebot rechnen. Mal ist es weniger Beratung, mal ist es schlechterer Service. Allerdings: So unverfroren, wie Energiekunden in die Kostenfalle gelockt wurden, wurde bislang noch keine Betroffenengruppe abgezockt. Das weiß Alfred jetzt auch.

Fortsetzung folgt.

 

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