Klimacamp vor Gericht

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof droht die Stadt Augsburg in Sachen Klimacamp eine satte Blamage. (Foto: wikimedia.commons)
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof droht die Stadt Augsburg in Sachen Klimacamp eine satte Blamage. (Foto: wikimedia.commons)

Wir können alles, außer...

Der heutige Aufmacher im Lokalteil meiner Lieblingszeitung ist mal wieder ein echter Knaller: „Klimacamp: Stadt droht Schlappe vor Gericht“‘, titelt die AZ. Anlass des Berichts ist die montägliche mündliche Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München, in der es um die von der Stadt im Juli 2020 verlangte Räumung des „Camps“ zwischen Perlach und dem historischen Rathaus gehen sollte. Ging es aber nicht. 

Das lag wohl daran, dass die – sowieso nur widerwillig eingelegte – Berufung gegen ein Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichts, in dem die sogenannten Klimaaktivisten obsiegt hatten, äußerst mangelhaft begründet war. So dilettantisch, dass laut AZ der Vorsitzende Richter Reinhard Senftl der Stadt empfahl, die Klage zurückzuziehen. Was diese natürlich nicht tun wird, denn im Gegensatz zu privaten Klägern gehen den Kommunen die Ressourcen – Bürgers Steuergelder – ja nie aus.

Festzustehen scheint, dass die Argumentation der Stadt vor Gericht in sich zusammenfiel wie ein Kartenhaus. Nachzuweisen wäre gewesen, dass eine (grundgesetzlich und versammlungsrechtlich geschützte) Demonstration nicht durchgehend stattgefunden hat. Wozu es genauer Beobachtungen bedurft hätte und nachprüfbarer Fakten. Statt dessen lieferte die Stadt etwas, das die gegnerische Anwältin leicht hämisch als „hausmeisterhafte Wahrnehmungen nach dem Motto ,Ich habe irgendwas gesehen‘ von städtischen Bediensteten“ bezeichnete. Was es irgendwie schon trifft: Denn die Anwältin stellte fest: „Die Stadt hat sich nicht viel Mühe gegeben.“ Und das Gericht scheint sich dieser Sichtweise anzuschließen.

Die Stadt erlebt damit in der Causa Klimacamp ein weiteres juristisches Desaster – und auf sie wartet zukünftig viel politisches Unheil. Denn wer will nach dem argumentativen Totalversagen vor dem VGH verhindern, dass sich etwa (um mal ein vermutlich gar nicht mal so abwegiges Szenario zu nennen) ein putziges Querdenkercamp am Kö niederlässt, oder dass ein paar Neonazis beschließen, ein Anti-Ausländer-Zeltlager in der Annastraße zu errichten? Richtig: Niemand mehr.

Und das liegt nicht am Gericht, das ohnehin – anders als von der Stadt erhofft – keine Grundsatzentscheidung darüber treffen wollte, wie lange eine Demonstration auf öffentlichem Grund dauern darf. Statt dessen befassten sich die obersten Verwaltungsrichter des Freistaats nur mit der Frage, ob der städtische Bescheid zur Camp-Räumung vom 10. Juli 2020 Hand und Fuß hatte. Hatte er nicht. Er war nach Ansicht des Gerichts rechtswidrig. Denn die Stadt konnte nicht einmal ansatzweise nachweisen, dass vieles, was in dem Sperrmülllager in prominenter Innenstadtlage stattfand – von Trommel- bis Jonglier-Workshop –, allenfalls unter dem Stichwort „Klima-Kasperiade“ und nicht als politische Argumentation eingeordnet werden kann.

Ein Urteil aus München könnte angesichts des städtischen Totalversagens schon bald wirksam werden. Und damit das, was jeder Demokrat nur mit Schaudern betrachten kann: Dass eine Minderheit selbsternannter „Klimaaktivisten“ die durch Wahlen legitimierten Verfassungsorgane unseres Staates am Nasenring durch die politische Arena zerrt. Die Stadt hat dann, vorausgesetzt, der VGH lässt das zu, noch die Möglichkeit, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen – Ausgang ungewiss. 

Sollte jemand noch einen weiteren Vorschlag für einen städtischen Werbeslogan suchen, hier schon mal ein (schwäbisch-bewährter) Vorschlag: „Wir können alles, außer Verwaltung."

Fortsetzung folgt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Margarete RS (Mittwoch, 13 April 2022 16:11)

    Ich muss öfters auf Dieter Mitullas Blog lesen. Es macht viehisches Vergnügen, das zu tun.