Es wird kindisch
Die Augsburger Posse um das sogenannte „Klimacamp“ ist um eine wenig ruhmreiche Episode reicher. Das mehr an eine Sperrmüllhalde denn an eine Demonstration erinnernde Lager in bester Innenstadtlage – derzeit am Moritzplatz, vorher zwischen Rathaus und Perlach – entzweit seit gut zwei Jahren Bürgerschaft und Stadtverwaltung. Nun rückte vor einigen Tagen die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl bei dem 26-jährigen früheren ÖDP-Bundestagskandidat Alexander Mai an, durchsuchte dessen Wohnung und beschlagnahmte mehrere Laptops und Handys.
Mai, der wohl der Unterstützerschaft der Klimabewegten zugerechnet werden kann, hatte im Oktober vergangenen Jahres auf der Facebook-Seite der Augsburger AfD-Stadtratsfraktion unter einem Post des Stadtrats Andreas Jurca mitdiskutiert und am Ende einen Link gepostet. Der führte zu einem Foto eines Plakats aus Hamburg, auf dem zu lesen war: „Andy, du bist so 1 Pimmel". Jurca fühlte sich angesichts der Vornamensähnlichkeit beleidigt, bat um strafrechtliche Prüfung des Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft und erstattete (nachdem diese eine mögliche Strafbarkeit bejaht hatte) Anzeige.
Daraufhin erging zur Beweissicherung ein „Durchsuchungsbeschluss wegen strafbarer Beleidigung“ – und das allgemeine Lamento begann. Der 26-jährige Mathematikstudent Mai findet die Durchsuchung erwartungsgemäß “völlig unverhältnismäßig“, wie er gegenüber dem Bayerischen Rundfunk und meiner Lieblingszeitung sagte. Vertreter des „Klimacamps“ sprachen laut Augsburger Allgemeine von „Schikane und dem Versuch, durch Einschüchterung die Klimaschützer an ihren Aktivitäten zu hindern.“ Er sei am frühen Morgen quasi überrumpelt worden, habe nicht mit seinem Anwalt telefonieren dürfen, seine ebenfalls anwesende Freundin leide seither unter Angstzuständen in der Wohnung.
Die Polizei wiederum betont, das sogenannte „Klimacamp“ habe mit der Aktion überhaupt nichts zu tun. Der Einsatz habe „unter strikter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit“ stattgefunden. Es gebe „keinerlei Hinweise auf kritikwürdiges Verhalten“ seitens der Beamten.
Von der Stadt Augsburg gibt es bislang keine Einordnung der Posse, die in den sozialen Medien bereits unter dem Stichwort „Pimmelgate“ Furore macht. Dabei hat sich die Stadt noch am ehesten die Schuld an der Eskalation rund um den Demo-Müllhaufen zuzuschreiben: Viel zu lange sah man in Rathaus und Verwaltungsgebäude dem Treiben der sogenannten „Aktivisten“ tatenlos zu, und als sich die schwarz-grün geleitete Verwaltung endlich bequemte, eine Räumung des Camps zu verfügen, tat sie dies derart (gewollt?) dilettantisch, dass die entsprechende Anordnung vor Gericht mittlerweile in zwei Instanzen durchfiel. Was insofern kein Wunder ist, als sie sich ja nur auf die ersten paar Wochen des Camps bezog, in denen noch annähernd eine Demonstration erkennbar war. Dass diese Veranstaltung nun schon fast zwei Jahre dauert (was an einer Demonstration in juristischem Sinne stark zweifeln lässt), floss daher in die Abwägung des Gerichts gar nicht erst ein.
Natürlich hatte der Anzeigeerstatter von der AfD nicht ohne Hintergedanken gehandelt, als er den Vorgang zur Staatsanwaltschaft trug: Er kann sich der Zustimmung eines nicht zu kleinen Teils der Bevölkerung sicher sein, der den „Demo-Sperrmüllhaufen“ als Zumutung für eine Innenstadt empfindet, die durch Corona, eine grünlastige Verkehrspolitik und zahlreiche autofeindliche Einzelmaßnahmen der schwarz-grünen Stadtverwaltung ohnehin gebeutelt genug ist. Er kann sich aber auch zurechnen lassen, die Chuzpe der Klima-Schreihälse angeprangert zu haben, die zwar munter austeilen, beim Einstecken aber kindisch schnell nach den Institutionen rufen, die sie doch angeblich so sehr ablehnen.
Eines zeigt „Pimmelgate“ zumindest deutlich: Die politische Mitte – namentlich die CSU und ihre Oberbürgermeisterin Eva Weber – droht zwischen grünem Aktivismus und rechter Agitation zerrieben zu werden. Es zeichnet sich ab, dass der bundesweite Niedergang der C-Parteien auch auf lokaler Ebene greifen wird. Es sei denn, die Oberbürgermeisterin besänne sich auf ihre Führungsrolle und leitete entschlossene Schritte ein, um die Klimacamp-Posse endlich zu beenden. Leider is das aber nicht zu erwarten.
Fortsetzung folgt.
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Dieter (Sonntag, 08 Mai 2022 01:24)
4 x "Müllhaufen" bzw. "Sperrmüllhaufen" - das ist Rekord, selbst angesichts der vielen dümmlichen Facebook-Kommentator*innen. Die mangelnde Kreativität in der Beschreibung erreicht hier ihren geistlosen Höhepunkt, die Spitze des schlechten Geschmacksbergs. Jede Klolektüre bringt mehr Entertainment.
Marina (Sonntag, 08 Mai 2022 08:34)
Faszinierend, wie Sie als Autor die Faktenlage zuerst so gut beschreiben, dann aber zu allen falschen Schlüssen kommen.
Margarete (Freitag, 11 November 2022 00:41)
Die Freunde des Klimacamps wehren sich auf ihre Weise. Logisch, denn Sie liegen goldrichtig.