Schwabens starke Seiten
Wir stolpern von der Ukraine- in die Gaskrise. Wir gehen mit heruntergedrehten Heizungen auf den dritten Coronawinter zu und bereiten uns darauf vor, künftig auf erhebliche Teile unseres geliebten und gewohnten Wohlstandes verzichten zu müssen. Da gehört vermutlich eine gehörige Portion Mut dazu, ein neues Medienprojekt aus der Taufe zu heben. Und wenn es sich dabei auch noch um ein Print-Produkt handelt – ein regionales obendrein – ist man versucht, den Machern einen mentalen Checkup anzuraten. Doch eines sei gleich zu Beginn gesagt: An intellektueller Insuffizienz leiden Daniel Biskup und Christian Hutter nicht. Im Dezember bringen die beiden die erste Nummer „ihres“ Regionalmagazins edition:schwaben heraus. Sie führen damit eine 16-jährige Tradition weiter, deren Grundstein der in Augsburg und Schwaben nicht ganz unbekannte Medienprofi Wolfgang Oberressl (74) legte.
Das Aus für die von ihm gegründete edition:schwaben hatte Oberressl im März 2021 verkündet, schweren Herzens, wie er damals schrieb. Denn gegründet hatte er das vierteljährlich (plus einer Architektur-Sonderausgabe pro Jahr) erscheinende Magazin als Gegenpol zu den etablierten (Print-)Medien. Lassen wir ihn selbst sprechen: „Zeitungen und Zeitschriften sind unter der Herrschaft von Habsüchtigen und Erbsenzählern – letztere haben inzwischen Abermillionen, ja Milliarden von Erbsen zu zählen – zur Projektionsfläche von Trivialem und Beliebigem verkommen." Dem setzte er seine eigenen journalistischen und verlegerischen Maßstäbe entgegen, zu denen es auch gehört, sich gesellschaftlichen Moden von political correctness über wokeness bis hin zu Gender-Gaga zu verweigern. Oberressl: „Wenn ... Sprache zur politisch-hygienischen Dekoration verkommt, wenn immer mehr Großverlegern jedes Mittel recht ist, für ein paar Kröten mehr jedes publizistische Verantwortungsbewusstsein sausen zu lassen, wenn Regionalmagazine zu reinen Werbe- und Klatschblättchen verkommen, dann mag es kein guter Zeitpunkt sein, auch eine noch so kleine, aber ab und an aufmüpfige Publikation wie edition:schwaben einzustellen." Trotzdem sei für ihn nun Schluss, schrieb er in seinem Abschieds-Leitartikel.
Oberressls Philippika blieb zumindest bei zwei Medienpersönlichkeiten nicht ohne Eindruck: Daniel Biskup, Fotograf von Weltrang, und Christian Hutter, Kopf der Medienagentur Hutter&Helden, haben edition:schwaben übernommen. Im Dezember soll das erste, von ihnen produzierte Magazin in einer Auflage von 5000 Stück zum Preis von zehn Euro erscheinen. Es ist ausschließlich im Abonnement zu beziehen.
Daniel Biskup, Jahrgang 1962, ist in Bonn geboren. Mit 15 Jahren begann er in Bad Godesberg eine Lehre als Postbote – und ahnte schon in den ersten Wochen seiner Ausbildung, dass er in diesem Beruf nicht alt werden wollte. Schon als Kind hatte er sich fürs Fotografieren interessiert, während der Lehre gründete er eine Gewerkschaftszeitung und bildet das Zeitgeschehen im damaligen Bonn ab. Friedensdemonstrationen und besetzte Häuser sind die Motive seiner ersten Bilder.
Mit 18 Jahren geht Biskup nach Augsburg. Er holt das Abitur nach und studiert Geschichte, Politik und Volkskunde. Nebenbei verdient er sich sein Studium als freier Mitarbeiter bei der Augsburger Allgemeinen – damals auch noch als Schreiber. Doch die Redaktion begann auch, seine Fotos zu schätzen: 1982 erscheint sein erstes Bild auf der Titelseite der Augsburger Allgemeinen. 1988 reist Biskup zum ersten Mal in die Sowjetunion um Gorbatschows Perestroika und Glasnostpolitik abzubilden. Als im Sommer 1989 DDR-Flüchtlinge nach Budapest strömen, ist er dabei. Von jetzt an begleitet er den Umbruch in der DDR bis zur Wiedervereinigung 1990 und richtet anschließend seine Kamera auf die Ereignisse in der UdSSR und Jugoslawien.Nach der Jahrtausendwende hat Biskup weltweit Prominente aus Politik, Kultur und Wirtschaft porträtiert – von Donald Trump und Bill Gates über Emmanuel Macron und Karl Lagerfeld bis hin zu Claudia Schiffer und Selma Hayek. Auch Roger Moore, Mette Marit, Helmut Schmidt, Vladimir Putin, Michail Gorbatschow, George Bush sen., Gerhard Schröder, Angela Merkel und vor allem Helmut Kohl, den er seit 1998 als Fotograf bei privaten und offiziellen Anlässen begleitete, stehen vor seiner Kameralinse. Bikups Fotografien sind unter anderem im Russisches Museum in St. Petersburg, im Deutschen Historischen Museum in Berlin und im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn ausgestellt.
Christian Hutter (44) ist Gründer und Chef der Augsburger Medienagentur Hutter&Helden. Als Content-Marketing-Agentur liefert die GmbH seit über zehn Jahren hochwertige Medien und Texte für Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Seine Kunden kommen aus den Bereichen Automation, Maschinenbau, Energieversorgung, Mobilität, Gesundheit und Pharma sowie IT und Bildung. Zum Unternehmen gehört neben edition:schwaben auch der Bildbandverlag „Salz und Silber". Und der ist gleichzeitig – neben der persönlichen Freundschaft – das Bindeglied zu Daniel Biskup: Seine Bildbände erscheinen seit Jahren in Hutters Verlag.
Und nun also der Sprung ins Risiko. Das bewährte Konzept von edition:schwaben wollen Hutter und Biskup „behutsam weiterentwickeln“. Wobei Hutter eines wichtig ist: „Wir wollen unabhängig bleiben." Seichtes „Nach-dem-Mund-Schreiben“, Breittreten von Pseudo-Klatsch über C-Promis sind seine und Biskups Sache nicht. Bewährtes wie Interviews mit und Portraits von bekannten schwäbischen Köpfen soll es natürlich weiterhin geben: Immerhin standen Promis wie der Euro-Vater Theo Waigel, Staatstheater-Intendant André Bücker oder der Insolvenzverwalter und Kunstsammler Werner Schneider dem aufwändig gestalteten Regionalmagazin schon Rede und Antwort. Daneben wollen die Magazinmacher Zug um Zug neue Themenfelder erschließen. Welche, das muss sich erst noch ergeben und ist auch abhängig von neuen Autoren, die die beiden derzeit anwerben. So könnte es in Zukunft vielleicht eine fundierte Gastro-Kolumne oder gut recherchierte Wirtschafts-Hintergründe geben: „Das muss sich entwickeln.“
Ein Fixpunkt für zukünftige Ausgaben ist schon gesetzt: Die Rubrik „wunder-bar“ am Ende jeden Heftes steuert künftig Dieter Mitulla (64), einer der beiden Autoren von „Enzos Hundeleben“, bei.
Fortsetzung folgt – jetzt auch in Print.
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Michael Popp (Sonntag, 16 Oktober 2022 18:50)
Toller Artikel, lieber Dieter! Und die letzten Zeilen sind besonders erfreulich. ��