Ausgerechnet Augsburg!

Söder trifft auf Lastenrad. Das passt gerade nicht wirklich...
Söder trifft auf Lastenrad. Das passt gerade nicht wirklich...

Öko-Selbsterfahrungsgruppe

Das kann ja wohl kein Zufall sein – und wenn doch, dann ein ziemlich perfider: Ausgerechnet in Augsburg, also der Stadt, die seit der letzten Kommunalwahl von einem schwarz-grünen Bündnis mehr durch Krisen laviert als regiert wird, beschworen beim Landesparteitag Ende Oktober die C-Parteivorsitzenden Friedrich Merz und Markus Söder alte Werte: Die Partei, die im Wesentlichen das einstige Agrarland Bayern zu einem Industrie-, Wissens- und Hightech-Standort umformatierte, zuletzt aber ihre ökologische Ader entdeckt hat, setzt wieder mehr auf Laptop statt auf Lederhose, auf Atomstrom statt auf Alm-Öko-Romantik, auf Ausbau der Verkehrswege statt Förderung von Radltrassen.

Der Augsburger CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber, die dem Parteitag krankheitshalber fernbleiben musste, dürften die Ohren geklungen haben, als ihr Parteifreund Friedrich Merz dem grünen  Bundes-Wirtschaftsminister vorwarf, Robert Habeck habe sein einst kompetentes Ministerium in eine „ökologische Selbsterfahrungsgruppe“ verwandelt. Denn Ähnliches trägt sich gerade im und um das Rathaus der einst blühenden Industriestadt Augsburg zu.

Dort reiben sich viele Wähler, die bei der Kommunalwahl ihre Kreuzchen bei Weber und der CSU machten, verwundert bis verärgert die Augen, wenn die Rathauschefin auf einem Lastenrad (von einem Autoren in der WELT mal als „das Arschgeweih des Alnatura-Adels“ bezeichnet) zu Fototerminen anrollt, wenn mit jeder Umbaumaßnahme im öffentlichen Raum triumphierend der Wegfall von ein paar Parkplätzen verkündet und gefeiert wird und wenn auf den schon früher nicht gerade üppig breiten Zufahrten zur City der Verkehr auf nur einer verbliebenen Spur im Stop-and-Go kriecht, während auf den Rasengleisen der einst gefeierte Fünf-Minuten-Takt immer mehr ausgedünnt wird, auf den üppig dimensionierten Radwegen aber kaum einer der Pedalritter zu sehen ist. Was auch daran liegen kann, dass die Zielgruppe dunkel gewandet und ohne Licht ja doch lieber auf den Gehwegen die Rollatoren-Omas drangsaliert – macht doch viel mehr Spaß, oder?

Während im Bund die C-Parteien nach dem Machtverlust wieder etwas Tritt zu fassen scheinen, verharrt die CSU in der schwäbischen Bezirkshauptstadt seltsam gelähmt, so, als ob die großen Linien städtischer Politik vom kleineren, dem grünen, Partner abgesteckt würden. Was da auf koalitionären Briefköpfen in den Geschäftsgang gebracht wird, würde von Grünen-Parteitagen vermutlich beifällig abgenickt. In der CSU verursachen revolutionäre Forderungen wie die nach  Unisextoiletten in städtischen Amtsgebäuden bisher allenfalls unwilliges Gegrummel.

Doch das wird jetzt sonorer. So hat Ende Oktober der Augsburger CSU-Baureferent Gerd Merkle in seltener Deutlichkeit das von der Rathausspitze bisher eher nachsichtig gehätschelte denn bekämpfte Klimacamp zwischen dem Elias-Holl-Rathaus und dem Perlach aufs Korn genommen: „Was sich da entwickelt, ist eine bodenlose Provokation.“ Merkle sagte weiter, die Stadt sei gut beraten, „ordnungsrechtlich aufzuräumen“ – was durchaus als Kritik an seiner Parteifreundin und Chefin Eva Weber verstanden werden kann, ja muss.

Teile der Augsburger CSU – vor allem jene, die das zu Anfang von Landeschef Söder noch goutierte schwarz-grüne Experiment Webers vom Start weg mit Misstrauen begleitet hatten – beobachten die Entwicklung mit der klammheimlichen Freude, recht behalten zu haben.

Sie werfen ihrer OB vor, zwischen den zahlreichen Polit-Hipstern, die es sich rund um Webers Amtsräume im zweiten Stock des Verwaltungsgebäudes bequem gemacht haben, den Kontakt zur Stammwählerbasis verloren zu haben: „Kritische Stimmen dringen nicht mehr durch, die Blase feiert sich selbst“, kritisiert ein ehemals wichtiger Ur-CSU-Mann: „Mit immer grüneren Positionen gewinnt man keine Stimmen aus der Öko-Fraktion dazu, verprellt aber die schwarzen Stammwähler.“ Der Oberbürgermeisterin könne es daher ergehen wie ihrem glücklosen Vorgänger  Paul Wengert von der SPD: Den schickten die Augsburger nach nur einer Amtsperiode ins politische Exil.


 

 

 

 

 

Diese Kolumne ist in dem vierteljährlich herausgegebenen Regionalmagazin edition:schwaben erschienen. Das vorliegende Heft wird erstmals von Daniel Biskup und Christian Hutter verantwortet, wie wir hier bereits berichtet haben.

 

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