Kratzen am Sterneniveau
Wir waren vor ein paar Jahren schon einmal im Ofenhaus am Alten Gaswerk. Und als wir hörten, dass Andreas Kraus von der Lustküche dorthin gewechselt ist, wollten wir herausfinden, was das mit dem stylischen Restaurant gemacht hat. Fazit vorweg: Es scheint beiden in etwa so gut bekommen zu sein wie den Gästen die dort angebotenen Speisen.
Zunächst: Die Location ist jetzt nicht gerade zentral gelegen. Anfahrt mit dem ÖPNV dürfte eine Herausforderung sein. Wer mit dem Auto ankommt, sollte in das dortige Parkhaus fahren. Warum? Man kann in der Umgebung durchaus gut parken. Aber mit einem Platz im Parkhaus ist man gleich direkt am Lokal. Und einen weiteren Pluspunkt gibt es später…
Das Ofenhaus betritt man durch den gleichen Eingang wie die Besucher der dortigen Theater-Spielstätte und ist dann – wow! – in einer Kulisse, die irgendwo zwischen postindustriellem Mad-Max-Charme und cooler Cocktailbar verortet werden kann. Der sehr, sehr, sehr hohe Raum beeindruckt durch seine schieren Dimensionen und das zentrale Gestaltungselement, ein lichtes Drahtgeflecht, rosa illuminiert, das im Raum über den Gästen zu schweben scheint. Sehr stylish!
Doch nun zur Hauptsache, dem Essen. Das Menüsystem ist ebenso einfach wie genial: Angeboten werden vier Speisenfolgen (eine davon vegetarisch), die als Drei- oder Viergangmenüs konzipiert sind. Man kann sie essen wie vorgeschlagen. Oder sich querbeet durch die einzelnen Speisen hangeln: Nur eine kleine Vorspeise? Geht. Nur ein Hauptgericht? Geht auch. Drei Desserts hintereinander? Kann man machen.
Eine freundliche Bedienung berät bei Fragen kompetent und klärt Unverträglichkeiten sogar durch eine kurze Rückfrage in der Küche ab. Wir (zwei Personen) aßen zur Vorspeise jeweils das Thunfisch-Tataki mit grünem Spargel und Sesammayonnaise, als Hauptgericht das Saiblingsfilet mit Spitzkohl, Rote-Bete-Kartoffelstrudel und Riesling-Senf-Sauce bzw. das Kalbsfilet mit Schokoladen-Pilz-Sauce und Aprikosen sowie zum Dessert ein Basilikumsorbet mit Rhabarber und Erdbeeren.
Die Küche schickt schöne Teller, das Plating kratzt am Sterneniveau. Das Tataki gut geschnitten und perfekt angegart, die Mayonnaise ausbalanciert würzig.
Die Zutaten der Hauptgänge (Saibling kross, aber noch lamellig, Kalbsfilet zart rosé, die Schokoladensauce mit den Aprikosen zum Niederknien) auf den Punkt gegart, zum Teil gut am Salz.
Beim Dessert zeigt sich, was Spitzengastronomie von Alltagsrestaurants unterscheidet: Das Spielen mit Konsistenzen und Schnitten (zum Beispiel die Erdbeeren zu geradezu schulmäßigen Brunoises und einem Gel-Ring) hinterlässt am Gaumen die reine Freude. Und das Basilikum-Sorbet scheint direkt aus dem Koch-Olymp auf die Teller geschwebt zu sein.
Ein Wort noch zum Wein: Die stattliche (Flaschen-)Weinkarte birgt Überraschungen ebenso wie Standards, eine kleine Auswahl an offenen Weinen stellt auch zurückhaltende Trinker zufrieden. Bei all dem ist dem Prinzip „Drink wine, not labels“ durchaus Rechnung getragen.
Zum Schluss sei dann noch etwas Wasser in den Wein gekippt: Auf den schwarzen Polsterbänken rund um den Gastraum sitzt man gut. Die restliche Bestuhlung wird die Gilde der Orthopäden erfreuen. In vielen Restaurants der Fine-Dining-Kategorie ist der kleine Gruß aus der Küche Standard. Im Ofenhaus wird auf das Amuse-gueule verzichtet.
Dafür gibt‘s dann zum Ausgleich mit der Rechnung einen „Gruß vom Service“ – eine kostenlose Ausfahrtkarte fürs Parkhaus.
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